Seelische Narben bleiben

Informationsveranstaltung des Vereins „Schotterblume“ zum Thema „sexueller Missbrauch“ in Nassau

Die Polizei-Puppenbühne Mayen gab Kindern spielerisch praktische Tipps. 

Foto: Matern

Dem sexuellen Missbrauch von Kindern vorzubeugen und dessen Folgen zu verarbeiten oder gar zu überwinden, stand im Mittelpunkt einer zweitätigen Veranstaltung, zu der der Verein „Schotterblume“ am Wochenende in die Nassauer Stadthalle eingeladen hatte. Bewegend schilderten Betroffene ihre Situation. Ärzte, Psychologen, Jouristen und Berater boten konkrete Hilfe.

Von Bernd-Christian Matern

NASSAU. Der erste Tag der Veranstaltung zum Thema „Sexueller Missbrauch“ war den Kindern gewidmet. In lehrreiche Unterhaltung verpackt, wurden spielerisch Tipps für das Verhalten außerhalb der eigenen vier Wände vermittelt.

„Sag, wenn und wohin Du weg gehst“, war eine zentrale Botschaft der Polizei-Puppenbühne aus Mayen. „Schöne und blöde Gefühle“  hat ein Dinosaurier, der durch die Halle spaziert; musikalisch werden Stimmungen von der Gruppe „Shanrock“ serviert. Die Selbstbehauptungsgruppe „Wing Tsan“ für Kinder aus Bad Erns führt ihre Verteidigungskunst vor.

Am zweiten Tag weist ein Schild „für Kinder ungeeignet“ auf die grausame Problematik hin, mit denen in der Stadthalle die Erwachsenen eindringlich und ohne Tabus die Ausstellung „Ohne Worte“ am Foyer mit Bildern und Plastiken, in denen Missbrauchsopfer das Erlebte künstlerisch darstellen und verarbeiten macht sprachlos. Eine Fülle von Zeitungsausschnitten an den Wänden beweist: Missbrauch ist kein Einzelfall, sondern passiert jeden Tag. Aber wer redet schon gern öffentlich darüber – mit Sicherheit ein Grund für den relativ schwachen Besuch der Veranstaltung.

Dr. Mathias Jung, Psychotherapeut am Max-Otto-Brucker Haus Lehrstein, geht den Gründen für viel gelogenes Schweigen innerhalb der eigenen vier Wände nach, gibt Beispiele aus der Praxis. „Der Missbrauch ist wie ein Krebsgeschwür, das Opfer und Angehörige ein ganzes Leben belasten kann.“ Auch bei Männern missbrauchter Frauen bestehe oft Therapiebedarf. „Sie wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen.“ Aus Angst, Erinnerungen wach zu rufen, schonten sie ihre Ehefrauen und „verhungerten“ dabei selbst. „Heilung ist durchaus möglich, auch wenn Narben bleiben“, ist Maria Heilmann, Dipl. Pädagogin aus Bad Erns, überzeugt. Aber auf der Suche nach der „ermordeten Seele „ brauche es professionelle Begleitung, um die eigene Identität, das „unverletzte Kind in sich“ wieder zu entdecken. Über den Missbrauch an Jungen referiert die Vorsitzende der „Schotterblume“, Dagmar Minor, Folgeerscheinungen, wie massivste Beziehungsprobleme oder die Angst, den eigenen Kindern zu nahe zu kommen, seien bei männlichen und weiblichen Opfern gleich. Der Unterschied: Hilfe anzunehmen oder gar zu fordern, sei durch die soziale Rolle für den Mann wesentlich schwieriger als für die Frau. Hinzu komme die Scham, etwa nicht als männlich zu gelten.

Ergreifend, als ein in der Kindheit misshandelter junger Mann die Bühne betritt, der signalisieren will, dass Verdecken der falsche Weg ist, mit den Folgen des Missbrauchs fertig zu werden. Er hatte das Schweigen gebrochen und in Hessen den Verein „Hände weg von Kindern“ gegründet. Ein Auftritt, der Gänsehaut auslöst, Ratlosigkeit, der die Veranstaltung aber eine Fülle von Informationen entgegensetzt. Literatur, Beratungsadressen und Ansprechpartner geben erste Orientierung.

Infos: Schotterblume. Verein gegen sexuellen Missbrauch, Nassau